Es war einmal ein Waisenjunge. Er zog von Dorf zu Dorf, immer auf der Suche nach etwas Essbarem und einem Dach über dem Kopf. Eines Tages traf der Junge auf einen alten Mann, der ebenfalls von Dorf zu Dorf wanderte. Sie beschlossen, gemeinsam weiterzugehen. Der alte Mann trug einen großen, zugedeckten Weidenkorb, der offenbar sehr schwer war, denn der Alte lief tief gebeugt und stöhnte hin und wieder unter der Last. Als sie Rast an einem Bach machten, stellte der alte Mann seinen Korb erschöpft auf den Boden.
Der Junge fragte: „Soll ich deinen Korb für dich tragen?“ „Nein,“ antwortete der Alte, „den Korb kannst du nicht für mich tragen. Ich muss ihn ganz allein tragen.“
„Was ist denn in dem Korb?“ fragte der Junge, doch er erhielt keine Antwort. Viele Tage wanderten die beiden gemeinsam. Nachts, wenn der Alte glaubte, dass der Junge schlief, kramte er in seinem Korb herum und sprach leise mit sich selbst.
Es kam der Tag, an dem der alte Mann nicht mehr weitergehen konnte. Er legte sich nieder, um zu sterben. Und er sprach zu dem Jungen: „Du wolltest wissen, was in meinem Korb ist, nicht wahr? In diesem Korb sind all die Dinge, die ich von mir selbst glaubte und die nicht stimmten. Es sind die Steine, die mir meine Reise erschwerten. Auf meinem Rücken habe ich die Last jedes Kieselsteines des Zweifels, jedes Sandkorn der Unsicherheit und jeden Mühlstein des Irrwegs getragen, die ich im Laufe meines Lebens gesammelt habe. Aber ach – ohne sie hätte ich so viel weiter kommen können, im Leben. Statt meine Träume zu verwirklichen, bin ich nun nur hier angekommen.“ Und er schloss die Augen und starb. Der Junge ging zu dem Korb und hob den Deckel ab. Der Korb, der den alten Mann so lange niedergedrückt hatte, war leer.
(Verfasser unbekannt)