Liebe Leserinnen und Leser,
in dem Andachts-Video vom vergangenen Sonntag (26.04.2020) ging es um das Gleichnis vom Senfkorn. Ich hätte nicht erwartet, dass in den wenigen Sätzen des Gleichnisses so viel (und sicher noch mehr als das von mir Gefundene) steckt, um über das Video hinaus noch viele wertvolle Gedanken zu finden, von denen ich einige hier weitergeben möchte.
Das Gleichnis wird in den Evangelien von Markus, Matthäus und Lukas erzählt – jeweils etwas anders. Hier die Version des Matthäusevangeliums (13,31f.):
Ein anderes Gleichnis legte er ihnen vor und sprach: Das Himmelreich gleicht einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und auf seinen Acker säte; das ist das kleinste unter allen Samenkörnern; wenn es aber gewachsen ist, so ist es größer als alle Kräuter und wird ein Baum, dass die Vögel unter dem Himmel kommen und wohnen in seinen Zweigen.
Jesus vergleicht in dem Gleichnis den Kontrast zwischen dem winzigen Senfkorn und der großen Senfpflanze mit dem Wachsen des Himmelreichs. Wie das Senfkorn anfangs klein und unscheinbar war, so begann die Ausbreitung des Himmelreichs auch im verborgenen – mit Jesus. Doch trotz des zarten Anfangs breitet sich das Himmelreich, so Jesus in dem Gleichnis, immer weiter und weiter aus und wird größer und größer. Als ausgewachsene Pflanze, eine bis zu armesdicke Staude bis zu drei Metern Höhemit verästelten Zweigen, bietet der Senf Vögeln Raum für Unterschlupf und Nestbau – und genauso können Menschen im Himmelreich, dem Reich Gottes, Zuflucht finden. Gewissermaßen tragen die Christinnen und Christen, indem sie vom Reich Gottes erzählen, auch zu seiner Ausbreitung bei, doch das Gleichnis betont die Eigendynamik des Gottesreiches: Der Mann, der das eine einzige Senfkorn – nicht etwa zur Sicherheit wie üblich gleich eine Handvoll Samenkörner – sät, kümmert sich fortan nicht mehr um die Senfpflanze. Sie braucht offenbar weder gedüngt noch gegossen zu werden. So breitet sich auch das Reich Gottes gleichsam von selbst aus. Einmal gesät überwindet es Widerstände und wird immer größer.
Interessanterweise gilt das nicht nur für eine einzelne Senfpflanze, sondern die Ausbreitung des Senfs im Allgemeinen kann ebenfalls bildhaft für die Ausbreitung des Himmelreichs gesehen werden. Denn Senf verbreitet sich sehr stark – einmal im Garten, wird er immer mehr. Eine einzige Senfpflanze kann rund 25.000 Samenkörner hervorbringen... Diese Erwartung hat Jesus auch in die Ausbreitung des Reiches Gottes; auch das wird sich in der Welt immer weiter ausbreiten und irgendwann diese Welt und überhaupt alles umfassen bis zuletzt alles Gottes Reich ist. Und genau diese Dynamik und dieses Ziel hat Gott der Ausbreitung des Himmelreichs selbst gesetzt – Gott sorgt dafür, dass sein Reich wächst und sich ausbreitet. Zwar können Menschen durchaus etwas dazu beitragen, aber das ist nicht der Kern dieses Gleichnisses. Das Senfkorn steht schließlich nicht für den Menschen und Gärtnerinnen und Gärtner spielen in dem Gleichnis keine Rolle zur Hege und Pflege der Aussat. So sind es denn die Vögel, die symbolisch für die Menschen stehen. Sie nisten zwar im Senf, aber der Senf braucht sie nicht zum Wachsen. Entsprechend ist auch das Reich Gottes für die Menschen geschaffen, nicht der Mensch für die Verbreitung des Reiches Gottes. Zugleich sind Vögel natürlich doch in vielfältiger Hinsicht als Botinnen und Boten nützlich: Sie tragen bei zur Verbreitung der Samenkörner und sie füllen die Senfpflanze mit Leben. Genauso gewinnt das Reich Gottes seine Gestalt in der Verkündung der Botschaft Gottes; in Liebe und Vertrauen. Wie die Vögel im Senfstrauch können die Menschen im Reich Gottes Zuflucht und Stärkung finden. Denn das Reich Gottes beginnt eben schon in dieser Welt zu wachsen und wird irgendwann alles umfassen. So weit ist es noch nicht, aber das Wachsen hat begonnen. Und weil Gott sich um seine Saat kümmert wie auch um die Vögel, die darin leben, wird das Reich Gottes wachsen und wachsen. Es braucht Zeit – aber es kommt! Sicher!
(Pfarrer Steffen Barth)