Als ich in den letzten Tagen nach langer Zeit mal wieder im Stadtwald in Moosburg unterwegs war, bin ich kurz hinter dem Himmelblauen See an einer Steinschlange vorbeigekommen. Sie begann mit einem freundlichen Zettel, sie weiterzubauen, und schlängelte sich dann bestimmt 10 Meter entlang des Waldweges – gebaut aus kleinen und größeren bemalten Steinchen. Kiesel mit Herzen aus Filzstiften, goldlackierte Feldsteine, kleine Kunstwerke, die fein mit Pinsel bemalt waren, Namenszüge und Glückwünsche jeder Art. Dazwischen auch ein paar kleine, runde Steine, die offentsichtlich frisch aus der Isar geholt wurden. Ein wunderbares Sammelsurium aus runden Erinnerungen und gleichzeitig ein Zeichen der Gemeinsamkeit, auch wenn die Personen, die die Schlange in den letzten Tagen entstehen liessen, sich vermutlich zum großen Teil nicht kennen.
Ich erinnerte mich, darüber in der Zeitung gelesen zu haben. Solche Steinschlangen wachsen scheinbar inzwischen an vielerlei Orten. Vor der Schule meines Sohnes habe ich auch schon eine gefunden.
Vielleicht gibt es sie ja schon länger? Aufgefallen sind sie mir zumindest erst jetzt, aber das heißt nicht viel… dafür habe ich einmal wieder gemerkt, was für einen Unterschied zwischen einem Bild oder einem Bericht von etwas und der tatsächlichen Sache besteht.
Nach ein paar Wochen freiwilliger Selbstisolation merke ich das besonders in Hinsicht auf der Treffen mit Familie und Freunden. Es ist nett, mit der Familie über Videochat verbunden zu sein (abhängig von der Größe der Familie wird das auch schnell laut und unübersichtlich), und diese Treffen sind gerade auch für die Kinder ein Novum. Post-Corona wird das vielleicht bei uns üblicher, habe ich mir am Anfang der Krise überlegt. Besser mal per Chat miteinander reden als lange auf den nächsten Besuch warten…
Aber natürlich ist ein „echter“ Besuch viel mehr: nebeneinander auf dem Sofa sitzen und in Bücher blättern (oder vorgelesen zu bekommen) ist auf dem gleichen Sofa sitzend deutlich gemütlicher als über einen Bildschirm. Die Bedeutung wirklicher körperlicher Nähe nebst Umarmung, Händeschütteln und Auf-die-Schulter-Klopfen wird so manchem vielleicht erst dann bewusst, wenn man sich in längerer Isolation befindet.
Gleiches gilt für gute Bilder. Ich erinnere mich noch gut daran, wie wunderbar ich die Bilder von Franz Marc schon als Schüler fand. Die Fantasie, die aus den Bildern sprach, und die prächtigen Farben waren mir aus diversen Abbildungen und Drucken an meiner Schule bekannt; einen Bildbahn der „Brücke“ stand bei mir zuhause im Regal. Trotzdem war es ein besonderes Erlebnis für mich, einige Jahre später in Kochel am See im Franz-Marc-Museum und im „Buchheim Museum der Phantasie“ am Starnberger See viele der bekannten Bilder im Original ansehen zu können. Textur, Pinselstrich und in oft auch eine Beschreibung des Werdegangs des Bilders oder der weiteren Umstände der Entstehung bilden da erst ein klares Gesamtbild, das viel eindrücklicher ist als jedes Replikat.
Am Anfang der vorsichtigen Reduzierungen der Einschränkungen in der Pandemie wünsche ich mir und Ihnen, sich die Vorfreude auf die vielleicht „altbekannten“ Erlebnisse wieder stärker ins Gedächtnis zu rufen. Momentan müssen wir alle noch mit Bildern und Einschränkungen leben, aber das wird nicht mehr ewig dauern; hoffen wir auf einen Sommer, der uns diesen etwas verlorenen Frühling wieder besser ertragen lässt.
(Christian Weller)