Es ist schon ein seltsamer Kontrast: Draußen erwacht die Natur, während ringsum unser menschliches Zusammenleben in unserer Gesellschaft auf einmal fast zum Erliegen kommt.
Persönliche Begegnungen beschränken sich auf die engsten Familienmitglieder, mit denen man unter einem Dach wohnt - oder auf kurzes "Hallo" beim nötigsten Einkauf; und selbst da gilt es Abstand zu halten: Ungewohnt beim Bäcker oder Metzger das Hinweisschild, dass nur wenige Personen sich gleichzeitig im Verkaufsraum aufhalten dürfen oder an der Supermarktkasse durch Bodenmarkierungen Abstand zu halten ist.
Gleichwohl ist bei aller Infektionsgefahr Angst und Rückzug der schlechteste Ratgeber. Das galt auch schon im Mittelalter, wenn große Krankheitswellen wie Pest oder Cholera das Land verheerten und Leid und Verluste an Menschenleben kosteten.
Und doch tröstet mich da ein Martin Luther zugeschriebener Sinnspruch:
Dass die Vögel der Sorge und des Kummers über deinem Haupt fliegen, kannst du nicht ändern. Aber dass sie Nester in deinem Haar bauen, das kannst du verhindern.
Ähnliches empfand ich, als vor wenigen Tagen in der Dämmerung mein Blick in die Weite des immer dunkler werdenden Abendhimmels fiel:
An dem leuchtete immer heller werdend die schmale Sichel des jungen Mondes und darüber strahlte der Abendstern wie ein funkelnder Diamant - und auf einmal war in meinen Gedanken das Lied "Der Mond ist aufgegangen" gegenwärtig, das Matthias Claudius bereits 1779 textete und das unter Nummer 482 im Gesangbuch zu finden ist.
Neben der bekannten ersten Strophe sprechen mich vor allem die Strophen 3 und 7 an:
Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen und ist doch rund und schön.
So sind wohl manche Sachen, die wir getrost belachen,
weil unsere Augen sie nicht sehn.
(...)
So legt euch denn, ihr Brüder, in Gottes Namen nieder;
kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott, mit Strafen und laß' uns ruhig schlafen,
und unsern kranken Nachbarn auch.
Neben allen zeitgeschichtlichen Beschränkungen - natürlich gilt der behütete Ruhewunsch auch den "Schwestern" und das zu hinterfragende (durch Krankheit) strafenden Gottesbild - verdeutlicht es doch zweierlei:
Der Dichter weiß um seine persönliche Gottesbeziehung und schöpft aus ihr Kraft und Trost für die Schwierigkeiten des Alltags.
Und er bittet nicht nur selbstbezogen für sich, sondern schließt den "kranken Nachbarn" selbstverständlich in alle Wünsche und Bitten mit ein.
Und in Corona-Zeiten können wir dies "Nachbar"-Liste beliebig erweitern: Sie beschränkt sich eben nicht nur den kranken Nachbar/ die kranke Nachbarin,nein, auch die einsame, alleinlebende "Nachbars"-Witwe /-Witwer sind gemeint, die nun auf Besuch der geliebten Enkel verzichten müssen.
Oder nun besonders betroffene Orte oder "Hot Spots" kommen mir in den Sinn wie der Landkreis Heinsberg oder die Alten- und Pflegeheime in Würzburg und Wolfsburg, ja auch "Nachbar"-Länder" wie Österreich oder Frankreich, weitere europäische Länder wie Italien und Spanien oder gar "Nachbar"-Kontinente wie Asien oder Amerika und nun auch Afrika ...
Kurz: unser ganzer blauer Planet bedarf der Fürbitte - und es geht immer um die Menschen - um die Schicksale einzelner Personen, weniger um die anonymen Massen.
Und auch da wird ein Phänomen für mich fühl- und sichtbar:
Die Bedrohung durch die Pandemie bzw. die Infektionsgefahr löst sich nicht in Luft auf, aber die Perspektive der Angst und Furcht wird gewandelt:
Über die Fürbitte für andere hin zur Dankbarkeit für die, die tagtäglich ihr Bestes zu geben versuchen und ihren Beitrag im Gesundheitssystem und an anderen "systemrelevanten Stellen" mit vollem Einsatz leisten , dass diese Krise so schnell als möglich überwunden wird.
In diesem Sinn wünsche ich Ihnen die täglich Portion Zuversicht und Gottvertrauen.
(Harald Hauschild)